11. Juni 2019, Pressemitteilung: Deutschlands scheidender Botschafter in Namibia: Land soll „die Kolonialgeschichte vergessen“
Pressemitteilung von Berlin Postkolonial e.V. | Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“
Wie namibische Zeitungen ausführen, hat der vor seinem Abschied stehende Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Namibia, Christian-Matthias Schlaga, am 4. Juni 2019 vor der Wissenschaftlichen Gesellschaft Swakopmund über den Stand der schon über vier Jahre laufenden Regierungsverhandlungen über den Völkermord an den Ovaherero und Nama 1904-08 informiert. Schlaga zufolge hätten sich die unter Ausschluss der selbstgewählten Vertreter*innen der vom Genozid betroffenen Gemeinschaften verhandelnden Regierungen auf eine gemeinsame „politische Deklaration“ geeinigt. Über die Höhe der finanziellen Beteiligung Deutschlands gäbe es allerdings noch „erhebliche“ Differenzen.
Laut Schlaga hätten sich die deutsche und die namibische Regierung darauf verständigt, dass es keine völkerrechtliche Anerkennung des Genozids an den Ovaherero und Nama und daher auch keine offizielle Entschuldigung und keine Reparationen für diesen geben werde. Der Botschafter legte Wert darauf, zu betonen, dass es sich von deutscher Seite um ein rein „freiwilliges Engagement handeln“ würde, das dazu beitragen solle, „die Wunden der Vergangenheit zu heilen“. Abschließend hätte Schlaga die namibische Seite ermahnt: „In Tansania erfahren wir das Gegenteil wie in Namibia. Dort wird keine Entschädigung gefordert. Das Land möchte die Kolonialgeschichte vergessen und ein gesundes Verhältnis aufbauen. Sie möchten sehen, dass Deutschland sie weiter unterstützt. […] Dort sind wir einen Schritt weiter voran.“
Das zivilgesellschaftliche Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“ wendet sich entschieden gegen Schlagas kolonialherrliche Belehrung Namibias, die einer Erpressung nahekommt – zumal der scheidende deutsche Botschafter die Opfer des Völkermords mit seiner (post)kolonialen Arroganz nicht zum erste Mal provoziert. Das Bündnis fordert das Auswärtige Amt auf, ihn durch eine Persönlichkeit zu ersetzen, die sich Deutschlands kolonialgeschichtlicher Verantwortung stellt, statt von den Nachfahren der Kolonisierten ein Vergessen von Kolonialverbrechen und Völkermord zu fordern.
Christian Kopp von Berlin Postkolonial e.V.: „Die Bundesregierung hat die Kolonialgeschichte kürzlich als wesentlichen Teil der deutschen Erinnerungskultur definiert. Wie kann ihr Botschafter da mit einer Reduzierung der Entwicklungszusammenarbeit drohen, sollten die deutschen Kolonialverbrechen weiter thematisiert werden? Das Auswärtige Amt muss endlich einen verantwortungsvollen Diplomaten nach Windhoek schicken, der den Nachfahren der Kolonial- und Genozidopfer mit dem gebotenen Respekt entgegentritt.“
Bericht: https://www.az.com.na/nachrichten/verlangter-betrag-ist-stolperstein2019-06-05
Kontakt: Berlin Postkolonial e.V., Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“, buero(at)berin-postkolonial.de, +49 (0)1799 100 976