Genozidgedenken im Namibischen Unabhängigkeitsmuseum
Vater, der du ragst in den Himmel
In Windhoek wurden anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung Namibias neue Staatsdenkmäler enthüllt und das Unabhängigkeitsmuseum eröffnet
Von Joachim Zeller
Pjöngjang lässt grüßen, mitten in Windhoek. Erneut haben die Oberen der Regierungspartei SWAPO große Bronzestatuen im „befreundeten“ Nordkorea bestellt und in der Hauptstadt Namibias aufstellen lassen. Vor dem neuen Unabhängigkeitsmuseum ragt nun die auf einem hohen Sockel thronende Statue des „Vaters der namibischen Nation“ Sam Nujoma in den Himmel. Gleich daneben vor der Alten Feste, dem alten deutschen Kolonialfort, ist das „Genozid-Denkmal“ errichtet worden. Es zeigt einen Mann und eine Frau mit gereckten Fäusten sowie gesprengten Ketten an den Handgelenken. An der Vorder- und Rückseite des Sockels befinden sich zwei Reliefs mit Darstellungen von Opfern des Kolonialkrieges von 1904-1908. Die Enthüllung der Statuen fand am 21. März, dem Unabhängigkeitstag Namibias statt.
Wer nicht in die Jubelreden der Einweihungsfeiern einstimmen wollte, der fühlte sich unweigerlich an die Einwände erinnert, die bereits nach der Eröffnung der pompösen Anlage des „Heroes Acre“ im Jahr 2002 geäußert wurden. Die südlich von Windhoek gelegene nationale Gedenkstätte Namibias war ebenfalls – wie viele andere Monumente Land auf, Land ab – von nordkoreanische Firmen errichtet worden. Von Monumentalkitsch war damals die Rede und dem autoritären Gehabe der SWAPO, sind doch weder afrikanische Künstler beteiligt, noch die Öffentlichkeit in irgendeiner Weise eingebunden gewesen. Doch die Kritik verhallte ungehört. Dem Geist der namibischen Verfassung, die von der neuen Windhoeker Nujoma-Statue in der Rechten hochgehalten wird, hätte es jedenfalls entsprochen, die Menschen Namibias an der Gestaltung der neuen Denkmäler partizipieren zu lassen. Kaum geändert hat sich auch das selektive und simple Geschichtsbild, das unters Volk gebracht werden soll. Von den völkermordenden deutschen Kolonialherren führt der Weg zur Lichtgestalt eines Sam Nujoma, der quasi im Alleingang die Rassisten des südafrikanischen Apartheidregimes niederrang.
Mit dem neuen Denkmalensemble wird Nujoma endgültig zum Übervater der Nation nobilitiert und der um ihn geführte Personenkult erfährt einen weiteren, nur noch grotesk zu nennenden Höhepunkt. Der Personenkult wird zwar nicht von der ganzen SWAPO mitgetragen, aber doch stillschweigend geduldet.
Als würden all die nach Nujoma benannten Straßennamen noch nicht reichen, bis hin zu seinem Konterfei auf den namibischen Geldscheinen oder dem Heldenepos über seine Lebensgeschichte als abendfüllender Kinofilm. Erst kürzlich durften die Namibier eine weitere Nujoma-Statue beklatschen, die in Omugulu-Gwoombashe eingeweiht wurde und ihn wacker vorstürmend im Kampfanzug und mit Kalaschnikow zeigt. Ob der bei der Enthüllung anwesende namibische Alterspräsident die unfreiwillige Komik bemerkte, ganz klein und unbedeutend auszusehen, als er zu seinem eigenen riesigen Monument aufschaute? Bliebe noch daran zu erinnern, dass bereits die Kolossalstatue des „Unbekannten Soldaten“ auf dem „Heroes Acre“ dem Gründungspräsidenten verdächtig ähnlich sieht.
Und das neue Unabhängigkeitsmuseum? Selbstverständlich ist auch dieses von Nordkoreanern gebaut worden. Und, um das Maß vollzumachen, die Ausstellung zur Geschichte Namibias übertrug man ebenfalls Pjöngjang. Dass da manches richtig, vieles aber fehlerhaftund einseitig geschichtsklitternd ist, soll hier nicht weiter behandelt werden. Doch ist der Besucher erst einmal an einer weiteren in Bronze gegossenen Nujoma-Statue vorbei gestolpert, ist er im Bilde, worum es hier eigentlich geht, jedenfalls nicht darum, emanzipatives Denken zu lernen. Es ist vielmehr die politische Dominanzkultur der SWAPO, die sich hier feiern lässt. Übrigens präsentiert sich der Ausstellungspart, der dem deutschen Genozid an den Herero und Nama gewidmet ist, als abgedunkeltes Gruselkabinett, das von dem nachgestellten Röcheln Sterbender beschallt wird. Diese Art der Volksdidaktik niveaulos zu nennen, ist eine Untertreibung.
Das Nujoma-Denkmal erhebt sich nun an der Stelle, wo zuvor das noch aus deutscher Kolonialzeit stammende Reiterdenkmal stand. Damit wird ein altes durch ein neues Herrschaftsmonument ersetzt. Es ließe sich deshalb auch von einer Bronze gewordene Propaganda für die – freilich demokratisch legitimierte – Alleinherrschaft der SWAPO sprechen. Und der „Reiter von Südwest“? Er steht notdürftig mit Stangen abgestützt im Innenhof der Alten Feste und harrt der Dinge, die da kommen. Immerhin landete er nicht in der Altmetallsammlung und der Erhalt des historischen Monuments scheint gesichert.
Damit kein Missverständnis aufkommt. Namibia hat jedes Recht seine gewonnene Befreiung vom Joch des Kolonialismus und der Apartheid in Denkmälern zu feiern und es hat sogar die Pflicht, an die Opfer des deutschen Genozids an den Herero und Nama zu erinnern. Wer aber solche Monumente aus einem totalitären Staat wie Nordkorea importiert, der bekommt nichts anderes geliefert als eine „Kunst“, deren autoritär-obrigkeitliche Attitüde unübersehbar ist. Respekt hat diese Art postkolonialer Erinnerungskultur nicht verdient.
Zuerst erschienen, in: Afrika Süd. Zeitschrift zum südlichen Afrika, Mai/Juni 2014, S. 38-39.